Irgendwo hinfahren, wo Kurven sind

Im September 2015 fuhr ich mit *logo* -Freund 'Hias' auf eine spontane Pässe-Runde nach Südtirol. ;)
Im Rückblick erscheinen solche Unternehmungen in noch schillernderen Farben. :ja:
Lassen wir Emotionen sprechen ...:



Irgendwo im Trentino in den einsamen bewaldeten Bergen zwischen dem Val di Fiemme und dem Val Sugana ist der Teufel los. Die Stille in dieser landschaftliche Idylle wird immer wieder durch Geräusche zerrissen, die dem unbedarften Wanderer eine Gänsehaut bescheren dürfte.


In ein stets aufs Neue erklingendes wildes bellendes Kreischen mischt sich ein gutturales Grollen, das zu einem markerschütternden Urschrei anschwillt. Das eine furchterregende Geräusch scheint das andere als Antwort zu provozieren.
In mehr oder weniger regelmäßigen Intervallen schallt dieses akustische Inferno durch die Lärchenwälder unterhalb des Lagorai-Gebirges. Dazwischen fallen immer wieder Schüsse.


Es scheint fast, als würden zwei Ungeheuer übereinander herfallen und ein paar mutige Jäger versuchen, sie durch Warnschüsse zu trennen und zu befrieden. Doch nach jedem Schuss beginnt das Belfern und Röhren erneut im Wettstreit mit dem dunklen rauen Fauchen des vermeintlichen Widersachers. Ein Szenario, das schon am Tage alle Sinne anwesender Zeugen in Alarmzustand versetzt und in der Nacht wohl alles die Flucht schlagen würde, was nicht "Godzilla" oder "Megalon" heißt.


Doch es ist helllichter Tag und der Himmel ist abwechselnd blau und dann wieder von Wolkenschwaden durchzogen, die oben über dem Gebirgspass wabern. Die Fantasie hat also eine reelle Chance, durch eine weniger wilde Realität besänftigt zu werden.


Allerdings liefern sich an den Bergflanken tatsächlich zwei wilde Kreaturen in ambitionierter Rivalität eine Art Zweikampf. Aber es fließt kein Blut und es geht auch nicht darum, den Kontrahenten zu vernichten, oder auf immer des Revieres zu verweisen.
Vielmehr sind es Aufschreie der puren Lust und des reinen Vergnügens, welche - verstärkt durch das Echo in den Bergwäldern - die Felswände erzittern und alles aufhorchen lässt, was da kreucht und fleucht. Die Verursacher sind von Menschenhänden geschaffen und diese gehören nicht etwa einem Dr. Frankenstein, sondern deutschen Spitzeningenieuren und Monteuren renommierter Autohersteller aus dem schwäbischen Stuttgart und Umland.


Die Schüsse stammen auch nicht aus Gewehren und senden keine todbringenden Salven, sondern werden durch die Lastwechsel eines leicht getunten Porsche Carrera 4 Cabrio der Baureihe 993 aus den späten Neunzigern erzeugt, der den Überschwang seines Temperaments recht ungeniert durch eine Sportabgasanlage in die bergige Welt hinausprustet.




Der athletische schwarze Sportwagen schießt mit allem, was seine geschwungenen sehnigen Flanken an Kraft aufzubieten vermögen, die engen Serpentinen des Manghen-Passes hinauf. Leichtfüßig durcheilt er auf allen angetriebenen Vieren die zahllosen einspurigen Kehren, und versucht, seinen Verfolger auf Distanz zu halten, wenngleich der Weg dabei das Ziel ist und die Rivalen nur einen Zweck im Sinn haben: Fahrspaß ohne Ende zu generieren!


Ein ungleiches Paar liefert sich da ein Leistungsduell am Berg. Der Verfolger entpuppt sich Sekundenbruchteile nach dem Vorbeizischen des rasanten Porsche nämlich als veritabler Großkombi, der vielmehr zum komfortablen Transport einer mittelgroßen Familie mit reichlich Gepäck konzipiert zu sein scheint, als für eine wilde Hatz um enge Kurvenradien. Auch wenn diese Transportleistung tatsächlich möglich ist, so täuscht der erste Eindruck gewaltig. So sehr der flüchtige Beobachter auch glauben mag, dass dieser Frachter, der so gar nicht auf die enge, einspurige Bergstraße passen mag, soeben von dem agilen Porsche überholt wurde und binnen Sekunden in dessen Vergangenheit befördert wird, so nachhaltig bleibt der schwere Wagen stets am luftgekühlt motorisierten Heck des Zuffenhausener Prachtkerls präsent.


Es ist eine ältere Mercedes E-Klasse der Baureihe 211, die sich kraft ihrer motorischen Gewalt und eines luftgefederten adaptiven Fahrwerks mit mächtigen 19"-Rädern und klebrigen Breitreifen über den Pass stemmt und sich den physikalischen Gesetzen der Fliehkraft großer Massen zu widersetzen scheint.


Das riesige 5.4 Liter große V8-Herz dieses Boliden wird durch einen Kompressor unterstützt, dessen gekühlte Ansaugluft dem Verbrennungsaggregat einen Output beschert, der nahezu das doppelte Drehmoment als das des drehfreudigen Porsche auf die hinteren Antriebswellen wuchtet. Dass diese gewaltige Kraft auch in den engeren Kurven nicht einfach verpufft, dafür sorgt eine Differentialsperre und die auf sportlich gebürstete Antriebsschlupfregelung.


Ebenso wie das von Hand zusammengefügte Aggregat, wurde auch das Airmatic-Fahrwerk und das etwas altbackene 5-Stufen-Wandlergetriebe von den Leistungsfetischisten der Firma AMG im schwäbischen Affalterbach auf einen kriegerischen Einsatz getrimmt.


Und so wird das scheinbar Unmögliche möglich, dass sich zwei völlig unterschiedliche Fahrzeugkonzepte eine Leistungsschau auf gewunden Bergstraßen liefern, die bei manchem Passanten ein entgeistertes Staunen hervorrufen.


Das elegante, grazile Porsche-Cabrio lenkt bei seinem Erscheinen unverzüglich die Blicke von dem sonstigen meist profanen Fahrzeugeinerlei auf sich, zumal sich ja schon per Soundgewitter vorab etwas zusammen zu brauen schien. Auf den graphitgrauen Kombi dahinter fällt zunächst kaum ein Blick. Allenfalls leichte Verunsicherung über die untypisch basslastige Akustik des Elfers stellt sich ein. Doch sobald beide Streetfighter wieder das Gesichtsfeld verlassen, ist das garstige Hämmern und dunkle Grollen doch tatsächlich dem Familien-Katapult zuzuordnen, welches im Abgang durch die Vierrohr-Auspuffanlage und die typische AMG-Ornamentik dann doch noch kurz zu Ehren kommt und hie und da ein zweites Lächeln oder einen staunendes Zucken durch die Mimik der Zaungäste huschen lässt, als wolle es in später Erkenntnis sagen: "Ach sooo ... - DAS ist natürlich etwas Anderes!"


Etwas Anderes war die sportilich ambitionierte Fahrt über acht nicht ganz so prominente, aber fahrdynamisch überaus reizvolle Pässe in den Provinzen Trento und Belluno südlich der großen Hochgebirgstraversen für Matthias im "doppelt luftgekühlten" Porsche und mich im fetten "doppelt klimatisierten" E 55 AMG auf jeden Fall. Eine grandiose Abwechslung zu den kastrierten Bewegungsmöglichkeiten im Alltagsverkehr nördlich des Alpenhauptkammes im Großraum München, wo die automobile Begeisterung der frühen Jahre längst einer zermürbenden Gleichgültigkeit und Achtlosigkeit gegenüber dem Potential der Fahrfreude gewichen ist.


Einmal noch in diesem ausklingenden Jahr ausbrechen aus dem Trott des gleichförmigen Dahinschleichens, einmal noch das mildere Klima Südtirols einatmen, die unglaublich pittoresken Orte in den südlichen Dolomiten durchstreifen, und die immer noch leichtfüßigere und entspanntere Lebensart unserer südlichen Nachbarn als Kontrast zu unserer verbissenen Hetze und Schulmeisterei erleben.




Der Traum wurde erfüllt. Voll und ganz. Auch wenn der Himmel eine Spur mehr Grau aufwies, als vorhergesagt - es blieb trocken und wärmer, als in entsprechenden Lagen Bayerns.
Und auf der ganzen ca. 300 Kilometer langen Pässe-Runde, sowie auf der An- und Rückreise über die alte Brennerstraße und das Sarntal und das Penserjoch als krönender Abschluss, hatten wir gelegentlich zwar auch mit Behinderungen zu kämpfen, aber praktisch nie mit bewusstem Blockieren, oder Belehrungsverhalten, wie es in Deutschland längst an der Tagesordnung ist.


Vielmehr gab es hie und da sogar erkennbare Begeisterung und Ansporn für die Protagonisten aus dem schwäbischen Autohimmel, woraus sich ein unverkrampftes Miteinander zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern ergab, dass Verständnis für die breitgefächerte Motivation des Fahrens generiert und es leicht macht, sich die Bälle im Sinne des allseits guten Vorankommens zuzuspielen.


Schade, dass der Traum nur drei Tage dauerte. Aber er ließ das Potential real werden, das in unseren herrlichen Sportgefährten schlummert und so selten abgerufen werden kann. Hier in Südtirol wurde ihnen artgerechte Haltung zuteil und sie machten im gleichen Zug ihre Fahrer glücklich. Selten schmeckt ein italienisches Abendmenü mit einem guten Glas Rotwein besser, als wenn man im Ristorante des Hotels noch das Knistern der abkühlenden Auspuffanlagen zu hören glaubt und noch das Donnern und Tosen der entfesselten Antriebe im Ohr hat.




Und noch im sich herabsenkenden Schlummer lässt man sich durch das imaginäre Nachschwingen der gewaltigen Fliehkräfte in einen seligen Schlaf schaukeln, der neue Träume generiert, wie sich die Boliden unter ähnlichen Bedingungen nochmals lustvoll duellieren könnten. Was für ein Glück wir doch haben, unter Generationen von Menschen, derartiges erleben zu dürfen! :thumbup: