Meine schönste Mittagspause - "Pizza GT4 Formaggi"

So, nun muss ich endlich mal ein altes Versprechen einlösen und über eine Begebenheit berichten, die mich vor kurzem in mehrfacher Hinsicht beeindruckt hat:


Im Vorfeld erscheint mir erzählenswert, dass mir mein Sohn Flo irgendwann im ersten Jahresviertel mit schwärmerischen Worten ein Foto von einem blauen Porsche geschickt hat. Dieses Auto hatte es ihm angetan und ich kann es auch gut nachvollziehen.

Es handelt sich um ein Modell, das ich mittlerweile gerne als den "echten, wahren Porsche" der Gegenwart bezeichnen möchte, welcher den immer größer und luxuriöser werdenden "Elfer" schon als 997er, aber auch als 991er ein bisschen vom Podest des puren "Athleten" unter den deutschen Sportwagen verdrängt hat. Nun ist ein Foto von einem "Porsche Cayman" eigentlich nichts Besonderes, weil er schon lange in immer mehr Varianten auf dem Markt präsent ist.

Dieser Cayman war aber sofort als etwas GANZ Besonderes zu identifizieren! Er sah extrem sportlich und wohlproportioniert aus. Das war aus meiner Sicht vor allem an einem Merkmal festzumachen, das dem Cayman schon immer gefehlt hat, was ich aber erst seit dem Blick auf dieses Bild wirklich wusste: Ein schöner, selbstbewusster Heckflügel auf dem hinteren Ende des Mittelmotorabteils!
Zusammen mit einem etwas tieferen Fahrwerk und etwas größeren Rädern, verlieh diese Tragfläche auf filigranen Stützen dem abgebildeten Sportler genau diesen unwiderstehlichen Charme eines Autos, das selbstbewusst dokumentiert, dass es ausschließlich für Sport und Spaß auf dem Asphalt konzeptioniert ist und für nichts sonst. Porsche hatte den "Cayman GT4" angekündigt und der Marktstart sollte schon bald erfolgen.


[Blockierte Grafik: http://i.auto-bild.de/ir_img/1/2/4/6/9/1/9/Porsche-Cayman-GT4-1200x800-5a6125996d1bad6d.jpg]

'Wow - eine Sensation!' dachte ich mir, denn damit liefern die Zuffenhausener einen reinrassigen Straßenfeger zu einem Tarif, der auch Normalsterbliche durchaus in die Nähe eines exorbitanten Fahrgeräts der Flachkäferproduzenten bringen kann. Nachgeschärfte Porschemodelle waren ja meistens nahezu unerschwinglich und schneller vergriffen, als man bestellen konnte - WENN man denn konnte!
So war auch ich vom GT4 schlagartig geflasht und in die Konsequenz und Perfektion des Konzepts ein bisschen verliebt, obwohl ich eigentlich gar kein Fan von echten Sportwagen bin, sondern lieber übermotorisierte Wölfe im Schafspelz bewege, die fast niemand auf dem Schirm hat, wenn es mal flott ums Eck gehen soll. Ballernde Dickschiffe mit fettem V8 sind da das Mittel der Wahl, und die Ambition, zwei Tonnen Lebendgewicht um knackige Kurven zu wuchten, ist wohl so ziemlich die einzige sportliche Betätigung, der ich bisweilen fröne. Die Zauberformel hierzu lautet "AMG"; aber hier konnte mich auch mal ein Porsche bezirzen.

Doch die Begeisterung über das zu erwartende Erscheinen des GT4 verschwand bald wieder im Nebel des Alltags und andere Themen hatten mich im Griff. Dann kam mein Geburtstag! Tja, ein schönes "Geschenk" wär das schon gewesen, aber leider sind die guten Feen alle irgendwie komplett abgetaucht und an ein Wunder ist nicht zu denken. An Überraschungen dagegen schon! Und eine solche war, dass unser Forumsmitglied 'boborola' mir mit einer hammermäßig originellen Ausrede etwas verspätet gratulierte. Die Überraschung war also nicht, DASS er das "versemmelt" hatte (es gibt Schlimmeres!), sondern WARUM!
Die Ablenkung wurde per Foto ins Forum gepostet und dieses Bild zeigte einen knallgelben ... ja - genau: Cayman GT4!!! Na, wenn ICH den hätte probefahren dürfen, würde ich sogar unseren Hochzeitstag verdrängen, glaube ich. Allzu verständlich - und das ließ ich ihn auch wissen, dem Heiko.
Doch als "Probefahrt" wollte dieser die Exkursion eigentlich nicht verstanden wissen, sondern vielmehr als Testfahrt des EIGENEN Vehikels, das eben angeliefert und dann noch eine Weile zu Showzwecken ins Schaufenster gestellt wurde.


Da ist dann wohl nicht nur mir die Spucke weggeblieben! Ich war sprachlos. Denn der gelbe Rennbriefkasten war eines der allerersten Exemplare, die unters Volk gebracht wurden. So forderte ich von Heiko wöchentliche Einfahrberichte und Fotos ein. Wenn ihm schon dieses unverschämte Glück zuteil wurde, sollte er auch seine Pflichten gegenüber seinen Autofreunden kennen und gefälligst dafür "schuften". Doch auch hier fiel ihm ein geschickter Deal ein, dem ich einfach nicht widerstehen konnte und der mich nun an die Tastatur zwingt, auch wenn ich über solche Dinge natürlich sehr gerne schreibe.
Die Idee war, dass ich selber etwas über dieses Auto schreiben sollte und er mich dafür in München zum Mittagessen einladen würde. Soweit recht und gut; doch Heiko wohnt nun mal im Raum Frankfurt und da klingt das Bedürfnis "schnell mal zusammen Essen gehen" schon etwas befremdlich. Aber wenn er ohnehin in München zu tun hatte, sollte es mir natürlich ein Vergnügen sein, zuzusagen und den neuen drahtigen Sportler als einer der Ersten aus der Nähe und in Fahrt kennenlernen zu dürfen.

Ganz von der Rolle war ich dann, als ich erfuhr, dass er eben NICHT "ohnehin" oder "sowieso" in München zu tun hatte, sondern extra für dieses kurze Stelldichein anzureisen im Sinn hatte. Sicher hätte es in Hessen ein ganze Menge mehr Freunde und Bekannte gegeben, mit denen Heiko seine Freude teilen und seinen Appetit stillen hätte können, doch der Hobel sollte nun mal so rasch wie möglich eingefahren werden und das geht am schnellsten natürlich mit Kilometer schrubben. Einmal Frankfurt - München und zurück bringt da schon mal so Einiges!
So bog also am darauffolgenden Donnerstag tatsächlich die knallige Flunder um die Ecke auf den Rosenkavalierplatz in München-Bogenhausen ein und ich sah das erste Mal einen leibhaftigen GT4 vor meinen Augen. Und mir gefiel sehr, was ich sah. Wen wundert's?!




Rasch positionierten wir den Wagen fotogen vor der Glasfassade unseres Dienstgebäudes und amüsierten uns über die äußerst interessierten, aber auch etwas verwirrten Blicke der externen Gäste, die hungrig über den Vorplatz zu unserer Kantine strömten. Ich bin sicher, dass da Einigen nicht nur wegen der bevorstehenden Mahlzeit der Speichel im Munde zusammenlief.



Und ich selber konnte es natürlich auch nicht erwarten, endlich in den Carbonsitzschalen Platz zu nehmen. Ebenso, wie das wunderschöne Lenkrad, welches wie aus einem Alu-Werkstück gefräst wirkt, stammen jene aus dem exorbitant exklusiven 918 Spyder, wie ich mir sagen ließ. Erstaunlicherweise fanden meine überbordenden ringförmigen Nahrungsreserven um die Körpermitte bequem in den Schalen Platz, ohne zu sehr bedrängt zu werden. Man sitzt richtig gut im GT4, auch wenn man etwas rundlicher gebaut ist und vor allem, wenn man unter 1,80 m groß ist.




Und dann brachen wir endlich auf zu dem Lokal, dass ich nach den Kriterien, möglichst langer Weg und viele Kurven dorthin, ausgewählt hatte. In München bei begrenzter Zeit kein allzu einfaches Unterfangen, aber der Umbau der Kreisstraße M3 im Nordosten der Stadt beschert derzeit ein paar aufeinanderfolgende todschicke 90°-Schikanen, die offiziell zwar mit Tempo 30 befahren werden sollten, aber doch bitte nicht mit einem GT4 und wenn sonst niemand da ist! So kam da mal eben die Mehrwertsteuer mit drauf und man muss auch gar nicht pervers schnell sein, um das kurvengierige Verhalten dieser Flunder zu erahnen.

Der GT4 unterscheidet sich u. a. auch durch die Vorderachskonstruktion des Elfer GT3 RS vom Serien-Cayman, welcher auch einen minimal kürzeren Radstand aufweist. Im Einfahrmodus kann man den Unterschied zwar leider nicht auskosten und auf dem illegalen Handlingparcours schon gar nicht, aber es beschleicht einen eine Ahnung von dem, was das kann. Jedoch auch davon, dass der Wagen mit seinen Cup-Reifen eben ein echter Sportler ist und die Gummis gut warm sein sollten, bevor man sie fordert. So wischte sogleich schon mal die Hinterachse ein wenig weg bei diesen kühlen Temperaturen Mitte April, wenn auch das Einfangen mit noch aktiviertem Sport-ESP sicher keine große Kunst ist.




Ich hatte je eine recht spartanische Innenausstattung erwartet, denn Porsche zeigte schon oft, wie teuer die Kunst des Weglassens sein kann, wenn man vom Racing-Bazillus befallen ist. Doch außer den klassichen Innentürgriffen, welche durch die bekannten Zugschlaufen ersetzt wurden, fehlt es einem eigentlich an nichts in diesem überaus ästhetischen Sportabteil, welches in diesem Fall auch noch mit reichlich schwarzem Alcantara und etwas gleichfarbigem Nappaleder tapeziert ist. Sogar das Armaturenbrett präsentierte sich griffsympatisch mit Lederbezug; einem Extra, dessen Fehlen wir beide gleichermaßen bemängeln würden. Da haben wir den selben Fimmel.




Nicht mal auf eine brauchbare Geräuschdämmung muss man als GT4-Pilot verzichten, wenn auch das markentypische raue Sägen des Wasserboxers sicher etwas markanter aus dem Heck ins Cockpit dringt, als bei der "braven" Version. Leider kam ich nur kurz in den Genuß dieses speziellen Porschesounds, der mich in allen seinen Spielarten immer wieder ein wenig an "Le Mans" von einst erinnert und das herbe Gesicht von Steve McQueen vor meinem geistigen Auge erscheinen lässt. Die erforderlichen Drehzahlen durften bei dem Kilometerstand einfach noch nicht dauerhaft engagiert werden. Der Rabatz hielt sich also in den Grenzen einer gewissen Langstreckentauglichkeit, die ich nicht vermutet hätte, zumal sich zum erstaunlichen Sitzkomfort des Sportgestühls auch noch eine recht kommode Abrollkultur der Räder gesellte.




Weder lästiges Nicken, noch Poltern weisen einen älteren Herrn allzu nachdrücklich darauf hin, dass er in einer solchen kompromissarmen Nordschleifenfräse nichts mehr verloren hat; auch wenn man über die Fahrbahnbeschaffenheit stets bestens im Bilde ist. So blieb meine Pizza mit allen vier Käsesorten auf dem Rückweg dort, wo sie hingehörte, und macht auch keine Anstalten auf Freiheitsdrang. Ich konnte das überaus schön geformte und perfekt verarbeitete Interieur ebenso genießen, wie die hervorragende Sitzposition und den Ausblick auf die geschwungenen Kotflügel.
Den tiefen Frontspoiler sieht man von hier natürlich nicht, aber man hört ihn! Und zwar schon bei geringen Unebenheiten und Verwerfungen. Dessen Unterkante dürfte also höchstens bei reinen Sammlerfahrzeugen anders als "sägerauh" zu bezeichnen sein.




Ganz anders dessen Pendant über dem formschönen Heck, welches in einer unglaublichen Ästhetik verstellbar auf zwei gelochten Carbonstützen thront und von dort schon im Stand pure Rennsportoptik aussendet. Das Problem ist: Wer sich diesen Anblick einmal verinnerlicht hat, betrachtet ab sofort jeden "Normalo-Cayman" schlicht als "amputiert". Das Teil bringt noch mehr Sportoptik, als die großen Bremsen vom großen Bruder GT3 RS, welche an sich aber auch schon eine Augenweide sind und ganz gewiss vorbildlich ihre Pflicht tun, wenngleich wir dies nicht überprüfen mussten und wollten.





Unterm Strich ist Porsche sicher nicht nur aus der Sicht des spießigen Kraftkombifahrers ein echtes Sahnestück gelungen, das auch weniger sportlich veranlagte Ideallinien-Verfolger ins Grübeln bringt, ob es denn wirklich soviel Platz und Alltagstauglichkeit, gepaart mit überbordendem Hubraum braucht. Vielleicht war es ganz gut, dass das Coupé in diesem Moment erst zur Hälfte eingefahren war und ich das ganze Temperament nur erahnen konnte.

Am späten Abend war er dann fast ganz eingefahren, denn 'boborola' brachte "die Post" an diesem Nachmittag auch noch über die Grenze zum Achensee in Österreich, bevor es wieder über die Autobahn ins Hessische ging.
Was bleibt, ist eine der kurzweiligsten und tollsten Mittagspausen in meinem Leben, die ich einem Verrückten verdanke. Die vorliegende Geisteskrankheit teilen wir aber, auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Ausprägungen zu Tage treten kann. Möge sie unheilbar bleiben! :thumbup: